Bischof Hermann Glettler: „Für Schatz des Lebens achtsamer werden“
Mit dem vierten „Welttag der Großeltern" am 28. Juli lädt die Katholische Kirche dazu ein, sich der Bedeutung der älteren Menschen im Leben der Gesellschaft bewusst zu werden. Das diesjährige Motto „Verwirf mich nicht, wenn ich alt bin“ (vgl. Bibel, Psalm 71,9)., soll verdeutlichen, dass in der heutigen Wegwerfgesellschaft viele ältere Menschen unter Einsamkeit und dem Gefühl, nicht gebraucht zu werden, leiden.
Bereits im April veröffentlichte Papst Franziskus seine Botschaft zum diesjährigen Welttag. Darin ruft er auf, sich mit Gottvertrauen nicht vom Älterwerden entmutigen zu lassen und stellt sich gegen die Auffassung, alte Menschen als Belastung für die junge Generation zu sehen. Papst Franziskus setze damit „einen heilsamen Kontrapunkt zum unheilvollen Leistungsdruck, der auch vor dem Alter nicht Halt macht“, so Bischof Hermann Glettler. Er betont: „Nur in einem hilfsbereiten, ehrlichen und respektvollen Miteinander von Jung und Alt wird uns die Zukunft gelingen. So wertvoll Großeltern für das Heranwachsen von Kindern und den familiären Zusammenhalt sind, so wichtig sind ältere Menschen insgesamt für den menschlichen und kulturellen Reichtum unserer Gesellschaft.“
Der Innsbrucker Diözesanbischof ist in der österreichischen Bischofskonferenz für Familien zuständig. Er mahnt, dass Anpassungsfähigkeit und Lernbereitschaft nicht nur von der älteren Generation gefordert sind: „Wir alle müssen für den kostbaren Schatz des Lebens, der sich nicht nur in jugendlicher Vitalität und Unbekümmertheit zeigt, achtsamer werden. Das ist ein kultureller und sozialer Lernauftrag.“ Seitens des Katholischen Familienverbandes sagt Vizepräsidentin Barbara Frühwirth: „Wir sind Papst Franziskus sehr dankbar, dass mit diesem Tag die Großeltern gewürdigt werden; sie spielen eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Familien.“
Hingehen zu den älteren Menschen – auch ehrenamtlich
Auf die Gefahr der Vereinsamung älterer Menschen weist der Fachreferent für Altenheimseelsorge der Diözese Innsbruck, Rudolf Wiesmann, hin: „Menschen in den Alten- und Pflegeheimen sind in unserer Gesellschaft kaum mehr sichtbar. Damit stehen sie in Gefahr, vergessen zu werden und zu vereinsamen.“ Hier sind deshalb insbesondere ehrenamtliche Seelsorger:innen in der Mobilen Hausseelsorge gefragt: „Sie suchen die betagten Menschen zuhause auf und teilen ein Stück Leben miteinander.“
Das nötige Handwerkszeug dafür wird bei einem jährlichen Lehrgang für ehrenamtliche Krankenhaus-, Pflegeheim- und Hausseelsorger:innen vermittelt, der Anfang 2025 wieder starten wird. „Wir brauchen ein lebendiges Bewusstsein, dass unsere älteren Menschen für die Jüngeren eine Bereicherung sind: durch ihre Lebens- und Berufserfahrung, durch ihr Wissen, durch ihr Gebet und durch ihr Dasein, wie sie ihr Leben im Alter annehmen und bewältigen“, ruft Wiesmann dazu auf.
Gedenktag für Großeltern und ältere Menschen
Den Welttag hat Papst Franziskus 2020 eingeführt. Er findet jährlich am vierten Sonntag im Juli statt, rund um den Gedenktag der heiligen Anna und Joachim, die als Eltern Marias und damit Großeltern Jesu gelten.
Der Vatikan gewährt allen Gläubigen, die an der Zeremonie des Papstes oder an einer der weltweit stattfindenden Veranstaltungen anlässlich des Welttages teilnehmen, einen vollkommenen Ablass. In der katholischen Kirche stellt der Ablass eine Art „Strafreduzierung“ dar. Darin werden die Bußstrafen für bereits gebeichtete Sünden vermindert. Den Ablass kann grundsätzlich jede getaufte Person erhalten, die den Bedingungen der Beichte, Eucharistie und Gebete Folge leistet.
Wortlaut der Papstbotschaft:
Achtsam miteinander
Impuls von Bischof Hermann Glettler zum Welttag der Großeltern
Älterwerden ist eine schöne und zugleich herausfordernde Aufgabe. „Verwirf mich nicht, wenn ich alt bin!“ Mit dieser eindringlichen Bitte aus einem uralten, jüdischen Gebet (Ps 71,9) setzt Papst Franziskus einen heilsamen Kontrapunkt zum unheilvollen Leistungsdruck, der auch vor dem Alter nicht Halt macht. Immer produktiv, attraktiv und dem Tempo der rasenden Veränderungen angepasst sein zu müssen, hat fatale Folgen. Damit würde der Reichtum des Alters verkannt werden – die größere Ruhe und Sanftheit im Umgang mit dem Leben, auch wenn längst nicht alles leichtfällt. Verloren gehen würden vor allem die Momente der Dankbarkeit, doch einiges geschafft zu haben, auch wenn vieles nicht mehr möglich ist. Bei vielen Menschen erneuert sich ja gerade im Alter die Verbundenheit mit Gott, weil man deutlicher wahrnimmt, dass sich das Wesentliche im Leben nicht machen lässt.
Ich fasse zusammen: Nicht nur von der älteren Generation sind Anpassungsfähigkeit und Lernbereitschaft gefordert. Wir alle müssen für den kostbaren Schatz des Lebens, der sich nicht nur in jugendlicher Vitalität und Unbekümmertheit zeigt, achtsamer werden. Das ist ein kultureller und sozialer Lernauftrag. Es wäre eine Schande, wenn wir ältere Menschen zunehmend nur mehr als potenzielle Betreuungs- und Pflegefälle wahrnehmen – und damit als Belastung für unsere Wohlstandsgesellschaft. Erinnern wir uns an die herzhafte Bitte: „Verwirf mich nicht, wenn ich alt bin!“ Nur in einem hilfsbereiten, ehrlichen und respektvollen Miteinander von Jung und Alt wird uns die Zukunft gelingen. So wertvoll Großeltern für das Heranwachsen von Kindern und den familiären Zusammenhalt sind, so wichtig sind ältere Menschen insgesamt für den menschlichen und kulturellen Reichtum unserer Gesellschaft.
Der „Welttag der Großeltern und älteren Menschen“ lädt uns zu einer dankbaren Nachdenklichkeit ein, möglicherweise auch zu einem Schritt der Versöhnung, wenn sich im konkreten Lebensumfeld zwischen den Generationen Schwierigkeiten eingeschlichen haben. Auch ein Anruf oder Besuch bei unseren älteren Verwandten und Freunden könnte ein schönes Zeichen der Verbundenheit sein. Als Bischof möchte ich zu diesem Anlass jedenfalls ein sehr großes Danke allen älteren Personen sagen, die mit ihrem Glauben, ihrer Großzügigkeit und zahlreichen Diensten das Leben unserer Pfarrgemeinden bereichern. Ohne sie wäre unsere Kirche um vieles ärmer. Nur gemeinsam geben wir ein glaubwürdiges Zeugnis vom Gott des Lebens, in dessen Hand wir alle geborgen sind.